„Kinder impfen zu lassen, entscheidet kein Lehrer und kein Minister. Punkt.“

Dr. Thomas Fischbach, Kinder- und Jugendarzt in Solingen und Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte e.V. (BVKJ).

Dr. Thomas Fischbach, Kinder- und Jugendarzt in Solingen und Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte e.V. (BVKJ).

Kurz vor Beginn des neuen Schuljahres beherrschen Meldungen über impfskeptische Erwachsene, die dramatische sinkende Zahl an Erstimpfungen und eine Politik, die auf Covid-Impfungen für alle 12- bis 17-Jährigen dringt – abweichend der Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) – die Schlagzeilen.

„Die Kinder und Jugendlichen dürfen nicht zum Sündenbock der vierten Corona-Welle gemacht werden“, warnt Dr. Thomas Fischbach, Kinder- und Jugendarzt in Solingen und Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte e.V. (BVKJ), bei einer digitalen Infoveranstaltung „Impfen der Kinder – ja oder nein?“ der Katholischen Elternschaft Münster (KED) im Bistum Münster e.V. und der Leitung ihrer Vorsitzenden Marie-Theres Kastner.

Fischbach spricht sich dafür aus, die „Kitas und Schulen offen zu halten.“ Zu Beginn der Pandemie habe man noch gedacht, dass Corona wie eine Grippe sei, die sich vom Kind auf den Erwachsenen übertrage. „Deswegen wurden ja sofort als erstes die Schulen geschlossen. Dass dem nicht so ist, das wissen wir jetzt. Die Einrichtungen wieder zu schließen schädigt unsere Kinder.“ Jedes dritte Kind leide knapp eineinhalb Jahre nach Pandemiebeginn unter psychischen Auffälligkeiten wie Stresssymptomen, Depressionen, Aggression und Hyperaktivität. „Dazu kommt, dass wenig Bewegung und hoher Medienkonsum zu Gewichtszunahmen geführt haben, was gesundheitliche Auswirkungen bis ins Erwachsenenalter mit sich bringen kann.“ Auch die Feinmotorik habe gelitten.

Jetzt, angesichts einer sich abzeichnenden vierten Welle wieder über die Einschränkungen des Schulbetriebs nachzudenken, während gleichzeitig Großveranstaltungen mit tausenden Teilnehmenden, Reisen und Chorproben erlaubt seien, sei widersinnig. Die vermeintliche Individualität der Erwachsenen zu Lasten der Kinder und Jugendlichen schlichtweg grotesk. „Sich impfen zu lassen, ist die persönliche Entscheidung jedes Einzelnen. Aber es geht um uns alle.“ Es wäre zu allererst am sinnvollsten, wenn sich möglichst alle zwischen 18 und 59 Jahren impfen ließen. In diesem Bereich seien noch viel zu viele nicht geimpft. „Dass jetzt zwischen STIKO und Politik keine Einigkeit mehr besteht, macht die Situation nicht einfacher. Wir können die Verantwortung nicht wieder auf die Kinder abwälzen und Druck auf Eltern und Familien auszuüben, ihre Kinder impfen zu lassen. Eltern müssen entscheiden, wenn möglich zusammen mit ihren Kindern, ob diese sich impfen lassen oder nicht. Kein Lehrer, kein Minister. Punkt.“

Allerdings empfiehlt Fischbach ganz intensiv, dass alle Kinder und Jugendliche, die geimpft werden wollen, vorher eine ausführliche Beratung zusammen mit den Eltern bei ihrem Kinder- oder Hausarzt wahrnehmen. „Die kennen ihre jungen Patienten und können gezielt beraten und mögliche Zweifel ausräumen.“ Zudem bemerkt der Kinder- und Jugendarzt eine Entwicklung bei Kindern und Jugendlichen, sich freiwillig impfen lassen zu wollen. „Die wollen wieder Sport treiben und ihre Freunde treffen können.“ Angesichts der sich ausbreitenden Delta-Variante sei „die Impfung dann ein guter Schutz.

PowerPointPräsentation zum Vortrag von Dr. Thomas Fischbach am 05.08.2021


Foto: Frank Schoepgens FOTOGRAFIE, Köln.