Mit Sicherheit und Vertrauen gegen Sorgen und Ängste

Dipl.-Psych. Dr. Marius Janßen, ­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­Psychologischer Psychotherapeut und Leitender Psychologe der Familientagesklinik für Vorschulkinder am Universitätsklinikum Münster (UKM), Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie

„Wir wollen uns heute Abend mit dem etwas ernsten Thema `Angst´ beschäftigen“, sagte Marie-Theres Kastner, Vorsitzende der Katholischen Elternschaft Deutschlands (KED) im Bistum Münster zu Beginn der digitalen Infoveranstaltung „Was macht unseren Kindern derzeit Angst und wie können wir ihnen helfen?" zu den über 100 Interessierten. „Angst ist, so sagt man, ein schlechter Ratgeber. Andererseits rettet die Angst aber auch Leben, weil sie uns aufmerksam macht und auf Gefahren hinweist. Heute Abend gehen wir der Frage nach, was unseren Kindern derzeit Angst macht und wie wir ihnen helfen können.“ Mit dieser Veranstaltung startet die KED Münster die neue Zoom-Reihe „Ready for future II“: Menschwerden in Gesellschaft und Schule.

„Ukrainekrieg, Corona-Pandemie, Klimawandel, wachsender Populismus in Deutschland, Krieg im Gazastreifen - wir leben in einer Zeit der Krisen“, brachte Dr. Marius Janßen, leitender Psychologe an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie des Universitätsklinikums Münster die Weltlage am Anfang seines Vortrags auf den Punkt. „Gerade bei unseren Kindern und Jugendlichen kann diese Gemengelage Ängste auslösen, die es ernst zu nehmen gilt.“ Die Flut von Krisen-Bildern in den Nachrichten, aber auch in den sozialen Netzwerken dringe bis in die Kinderzimmer vor. „Besonders Heranwachsenden falle es meist schwer, das Gesehene einzuordnen und zu verarbeiten.“ Stresssymptome wie erhöhte Reizbarkeit, starke Emotionen oder Alpträume könnten dabei Anzeichen für eine anhaltende Belastung durch Bilder sein.

Grundsätzlich sei gesagt, dass die „Anzahl der Kinder und Jugendlichen in Deutschland, die unter emotionalen, psychischen Problemen leiden, hoch ist. Man kann sagen, dass ungefähr jeder fünfte Junge, jedes fünfte Mädchen betroffen ist. Sie haben seelische Leiden und Ängste entwickelt: Angst vor Krieg, aber auch Angst vor Klimawandel. Angst vor Armut, Angst vor Krankheit und Angst vor einem Rechtsruck.“ Dabei sei Angst zunächst einmal eine ganz alte, archaische Emotion und grundsätzlich überlebensnotwendig, denn sie diene als Alarmsystem: „Sie warnt uns und unseren Körper vor Gefahren. Die Angst ist ein wichtiger Überlebensmechanismus“.

Quelle der Angst bei Kindern sei all das, was „fremd, was bedrohlich, was unerklärlich ist und nicht unmittelbar von Kindern bewältigt werden kann: Unsicherheiten. Ohnmachtsempfindungen, das Nicht-verstehen-können von Situation, Hilflosigkeit und das Erkennen der eigenen Verletzlichkeit im Hinblick auf die Konfrontation mit bestimmten Situationen. Das alles sind Quellen der Angst bei Kindern.“

Janßen legte den Eltern als „allerwichtigsten ersten Schritt“ zur Unterstützung der Kinder und Jugendlichen ans Herz, in sich selber hineinzuhorchen und zu überlegen, wie es einem eigentlich selbst mit dieser Thematik, dieser Krisensituation gehe? „Die eigenen Stimmungen und Befindlichkeiten im Vorfeld zu überprüfen ist wichtig, weil die sich auf die Kinder übertragen und diese beeinflussen können. Kinder haben gute Sensoren dafür, wenn Eltern selber Angst, Stress und Unsicherheiten verspüren und reagieren darauf.“ Deshalb sei es wichtig, dass Kinder Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten entwickelten. Aber auch das sie erfahren, dass sie den Erwachsenen, den Eltern als direkten Bezugspersonen, vertrauen können. „Das kann dazu beitragen, dass Ängste wesentlich weniger stark erlebt werden.“

Gleichzeitig sei es wichtig für Eltern, aber auch für Lehrer und Erzieherinnen zu erkennen, wann Kinder und Jugendliche Unterstützung und Hilfe benötigen, um richtig auf sie zuzugehen. „Wenn etwas Belastendes thematisiert wird, sollten die Eltern auf jeden Fall das Angebot machen, darüber zu sprechen und den Kindern auch Erklärungen an die Hand geben“, betonte Janßen. Es sei wichtig, ein Gefühl dafür zu entwickeln, ob die Kinder die Informationen verstehen könnten oder ob sie noch zu weit von ihrem Verständnis entfernt ist und wie viele Informationen sie benötigen. Neben dem persönlichen Austausch mit den Kindern und Jugendlichen können Eltern auch medienpädagogische Angebote wie die Kindernachrichten „Logo“ (KIKA) oder „Neuneinhalb“ (WDR) nutzen, um altersgerechte Antworten zu finden.

Wenn diese Symptome trotz gemeinsamer Gespräche und üblicher Bewältigungsstrategien bestehen bleiben, rät Janßen dazu, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen: „Eltern sollten, wenn sie feststellen, dass ihr Kind anhaltend unter Stress steht und sich mit einem schwerwiegenden Problem konfrontiert sieht, professionelle Hilfe in Form von Beratungsstellen oder therapeutischer Unterstützung in Anspruch nehmen.“